Für mich ist es fast schon Glück im Unglück, dass der heutige Wertungstag neutralisiert wurde. Nur so finden Sportleiter Martin Theisinger und ich Zeit für ein kleines Gespräch. Gemütlich sitzen wir auf der Terrasse und schlürfen Kaffee. Im Hintergrund kicken Piloten ausgelassen einen Fußball hin und her oder lassen Lenkdrachen in die Höhe steigen. Ein paar Mauersegler fliegen im Zick-Zack um uns herum.

Martin Theisinger lebt für den Segelflug. Als er seine fliegerische Karriere mit 14 Jahren anfing war er längst fest integriertes „Flugplatzkind“ auf dem Landauer Ebenberg. Dafür sorgte sein Vater, der Martin und seinen Bruder Georg im sehr frühen Alter unter anderem auf Rückholtouren mitnahm, wenn der Papa mal irgendwo außengelandet ist. Heute blickt Martin zurück auf eine unvergleichliche fliegerische Karriere. Mit 22 Jahren flog er seinen ersten Wettbewerb, auf den unzählig weitere folgten, davon ein paar Deutsche Meisterschaften, vier Europameisterschaften und fünf Weltmeisterschaften. Einige Wettbewerbe hat Martin gemeinsam mit seinem Bruder Georg im Teamflug absolviert. Ein Zweiergespann, dass Martin als „absolute Rarität“ bezeichnet. In den letzten Jahren hat er Wettbewerbspiloten kommen und gehen gesehen. Irgendwann sei bei vielen einfach die Luft raus. Nicht so bei den beiden Brüdern. „Bei uns ist die Luft nie raus.“, sagt Martin mit einem bescheidenen Grinsen. Und so denkt er noch lange nicht ans aufhören, denn jüngst hat sich Martin für die Doppelsitzerklasse der Deutschen Meisterschaft 2024 qualifiziert. 

Martin begreift sich nicht als Pilot, der einfach die Kräfte der Natur ausnutzt, sondern sieht sich selbst als Teil des Wettergeschehens. „Man darf nicht nur die klassischen thermischen Aufwinde sehen, sondern muss auch dynamische Aufwinde, wie es sie am Hang gibt, sehen und nutzen können.“ Als persönliches Vorbild nennt Martin den Mauersegler, ein Tier, dass für seine Rekorde im Streckenflug bekannt ist.

Die Tätigkeit des Sportleiters ist für Martin eine neuartige Herausforderung, um die er sich nicht gerissen hätte. Meistens würde er nämlich am liebsten selbst in den Flieger steigen und mitfliegen. Als Sportleiter hat Martin gelernt, dass er das Erstellen der Tagesaufgaben sicher beherrscht. Dagegen hat er die Komplexität seines Jobs unterschätzt. Gerade bei den Wetterlagen der vergangenen Tage kann ein Fehler in der Nutzung des Wetterfensters den gesamten Wertungstag zunichte machen. Starten die Piloten beispielsweise eine halbe Stunde zu spät, kann es passieren, dass keiner die Aufgabe absolvieren kann und sich Frust unter den Teilnehmern breit macht. Deswegen sei es wichtig, mit allen Beteiligten gut zu kommunizieren und z.B. auch rechtzeitig „Schnüffler“ hochzuschicken, die die Wetterlage noch vor dem Start aller Teilnehmer ausprobieren. „Erst wenn alles grün ist, geht es los.“ Sobald dann alle Piloten „hängen bleiben“, löst sich allmählich die innere Spannung, die Martin als Sportleiter ständig begleitet. 

Und dann ist das Gespräch schon wieder vorbei. Wettbewerbsleiterin Renate Schneider will irgendwas von Martin und führt ihn weg. Was bleibt, sind Mauersegler, die im Kunstflug nach Insekten jagen. Heute gehört ihnen der Flugplatz.

Text: Tonio Stührenberg